Schautafel zur Vereinsgeschichte
Zu unserem 100jährigen Jubiläum haben wir neben der Neueinweihung unseres Gedenksteins am 28.02.2014 auch eine Schautafel am Dorfgemeinschaftshaus enthüllt.
In kurzer Form wird die Entstehung unserer Ortschaft und unseres Vereins dargestellt, ebenso werden unsere uralten Sportarten Klootschießen und Boßeln beschrieben. Die Schautafel wurde von Peter Junker von Print Media, Wiesmoor gestaltet und erstellt, die Texte wurden von Christian Müller ausgearbeitet.
Die Schautafel ist ein echter Hingucker im Außenbereich des Dorfgemeinschaftshauses.
Die Texte der jeweiligen Themen
Text 1 – Entstehung Wiesederfehns und des Klootschießer- und Boßelervereins „Hier up an“
Bis zum Horizont Heide und Moor – im Westen dieses Fleckens ein fast unüberwindbares Hochmoor, das nur über einen schmalen Pfad durchquert werden konnte, um den nächstgelegenen Ort, Strackholt, zu erreichen. Dieses Moor wird man erst Anfang des 20. Jahrhunderts im industriellen Maßstab kultivieren und die Stadt Wiesmoor darauf gründen.
1796 ist man an dieser Stelle schon weiter. Zwei Kolonisten beantragen „2 Diemat Heidfeld zur Cultur und Hausbau“. Das Fehn in der Nähe von Wiesede wird aufgrund des Ediktes des Preußenkönigs Friedrich des Großen zur Urbarmachung der im Fürstentum Ostfriesland befindlichen Wüsteneyen gegründet – „Wieseder – Vehn“.
Ein Reihendorf entsteht an einer 1805 ausgebauten Wegstrecke mit geradliniger Trassenführung dank staatlicher Planung.
Dieser Weg – die heutige Bundesstraße 436 – war bis Ende der 50iger Jahre die Heimstrecke der Boßeler von Wiesederfehn. Die Einwohner waren anfangs vorwiegend Landwirte und verbrachten in einem bescheidenen und ruhigen Lebensstil ihr Dasein – in der Winterzeit griff man zum Zeitvertreib zur Boßelkugel und warf gegen die benachbarten Dörfer in loser Folge.
Ab 1900 wurden die ersten Vereine in der näheren Umgebung gegründet. Es dauerte dann nicht mehr lange, bis sich auch in Wiesederfehn mehrere Einwohner zusammentaten, um den Klootschießer- und Boßelerverein „Hier up an“ Wiesederfehn am 28. Februar 1914 aus der Taufe zu heben. Mit dem Ausbruch des 1. Weltkrieges ruhte die Vereinstätigkeit dann allerdings wieder, denn viele Vereinsmitglieder wurden zum Kriegsdienst eingezogen.
Im Straßenboßeln galt der KBV „Hier up an“ nach den Weltkriegen bald wieder als Favorit. Mehrere Male wurde in den 50iger Jahren die Verbandsmeisterschaft im Alten Amt Friedeburg errungen.
Am 01.03.1964 gründete sich der
Damenverein „Hier up an“ Wiesederfehn.
Damals war die Vereinsgründung der Frauen ein mutiger Schritt, man war ein
Vorreiter im Friesischen Klootschießerverbandes ( FKV).
Durch die eifrige Förderung der Schüler und Jugend in den letzten Jahren strebt der KBV weitere neue Ziele an. Die Jugendlichen des KBV erzielen mit Regelmäßigkeit auch auf der Ebene des FKV herausragende Erfolge.
Diese sportlichen Erfolge im Jugendbereich korrespondieren mit einer Etablierung der ersten Herren- und Damenmannschaft im höherklassigen Boßelspielbetrieb des Landesverbandes Ostfriesland, sodass das Boßeln und Klootschießen auch im 21. Jahrhundert eine Heimat in Wiesederfehn haben werden.
Text 2 – Klootschießen
Das Klootschießen der Ostfriesen wurde zwar erst im 18. Jahrhundert zum ersten Mal urkundlich erwähnt, aber sicher ist, dass seine Geschichte viel weiter zurückreicht. Es heißt, dass der aus Lehm oder Klei (Marschboden) gebrannte „Kloot“ (Klumpen) in seinem Ursprung eine Verteidigungswaffe war. So soll schon der Römer Tacitus berichtet haben, dass die Friesen mit Wurfgeschossen aus sonnengebrannten Lehmkugeln Eindringlinge aus ihrem Land vertrieben haben.
Später entwickelte sich daraus ein Sport, in dessen Umfeld das Wetten, Trinken und Feiern der begeisterten Zuschauer überhandnahmen, sodass das Klootschießen sogar per Erlass des Fürsten Georg Albrecht aus Aurich 1731 verboten wurde. Nicht, dass das die Ostfriesen davon abgehalten hätte!
Heutzutage besteht der Kloot aus einer Buchenholzkugel, die in drei Richtungen kreuzweise durchbohrt, mit Blei gefüllt, im Durchmesser 58 und exakt 784 g schwer ist. Klootschießen wird zwar von deutlich weniger Sportlern als das Boßeln ausgeübt, dennoch sind Klootschießer unter den Friesensportlern höher angesehen. Dies liegt vor allem an der nicht ganz so einfach zu erlernenden Wurftechnik: Nach einem etwa 25 Meter langen Anlauf folgt eine komplizierte Kombination aus Bein- und Armbewegungen, in deren Verlauf der Werfer eine Rampe hinaufspringt, den Wurfarm weit nach hinten reißt und den Kloot in einer fast 360° weiten Wurfbewegung von unten nach vorne wirft und dabei die volle Wucht der Sprungbewegung mitnimmt.
Gute Werfer
erreichen damit beachtliche Weiten. Der Ostfriese Gerd Gerdes
stellte 1934 einen legendären Rekord von 101,50 Metern auf, der erst 1995 durch
den Auricher Harm Henkel gebrochen wurde. Heute liegt der Weltrekord bei 106,20
m, geworfen von dem Norder Stefan Albarus am 30.06.1996
Text 3 – Boßeln
Der Boßelsport hat sich aus dem Klootschießen entwickelt. Er wurde wahrscheinlich als Ausgleichsspiel eingeführt, da mangels Frostwetter kein Klootschießen durchgeführt werden konnte. Das Boßeln bietet den Vorteil, dass man es auf vielen Nebenstraßen zu allen Jahreszeiten betreiben kann. Wichtig ist, dass der Werfer die Beschaffenheit der Straße kennt. Weiß er, welches Gefälle sie hat, kann er sich darauf einstellen und dementsprechend werfen. Auch kann für den Boßeler interessant sein, ob die Straße eine Spurrille hat, in die er werfen kann. Auf die Beschaffenheit achtet aber meistens der Bahnweiser, der dem Werfer entsprechende Tipps zuruft und entscheidet, auf welcher Straßenseite der Spieler anzulaufen und wie er zu werfen hat. Die Technik des Boßelns ist mit anderen Wurfdisziplinen vergleichbar. Der Werfer nimmt bei einem Boßelwurf etwa 15 Meter Anlauf, der mit einem Abwurf endet, bei dem die Boßelkugel geworfen wird. Während der Boßeler langsam anläuft und im Laufe des Anlaufes schneller wird, wird der Wurfarm senkrecht am Körper gehalten. Kurz vor dem Abwurf wird der Wurfarm am Körper entlang nach hinten ausgeholt. Im Moment des Absprungs wird er mit großer Geschwindigkeit und großem Kraftaufwand nach vorne geschnellt, um die Kugel mit einer hohen Geschwindigkeit zu werfen. Der Bewegungsablauf ist vergleichbar mit dem Kegeln, nur beim Boßeln ist relevant, wie weit man die Kugel wirft. Genauigkeit ist natürlich auch sehr wichtig. Beim Abwurf unterscheidet man die drei Wurfarten “liek ut Hand”, “över´d Finger” und “över´d Duum”, um die Kugel mit einem gewissen Drall zu werfen. In Ostfriesland wird mit drei unterschiedlichen Kugeln geworfen:
Als Ursprungsmaterial für den Holzboßel wurde neben dem Holz des einheimischen Kirschbaumes auch das Holz des tropischen Guajakbaumes verwendet. Dessen deutscher Ausdruck „Pockholz“ leitet sich ab von dem aus dem Holz gewonnenen Oel, welchem eine Heilwirkung gegen die Pockenkrankheit nachgesagt wurde. Die Pockholzkugeln sind heute Kugeln aus schwarzem Hartkunststoff gewichen.
Gummikugeln werden aus rotem Weichgummistoff (scherzhaft „Flummy“) hergestellt. Diese Kugeln sind flexibler und bringen größere Weiten.
Eisenkugeln bestehen ganz aus Eisen und sind das traditionelle Wurfgerät der Iren, auf deren Insel das Boßeln ebenfalls beheimatet ist. Seit den 60er Jahren sind sie durch die internationalen Wettbewerbe (Europameisterschaften) auch in Deutschland als Wurfgeräte anerkannt. Allerdings beschränkt sich dies nur auf Wettkämpfe von Einzelwerfern.